Die 150. Episode des Gruselkabinetts haben Titania Medien und Poldis Hörspielseite zum Anlass genommen, ein ausführliches Interview zu führen – mit einem Rückblick auf das bisherige, die aktuellen Produktionen und einem Ausblick auf das noch kommende. Das entspannte Treffen im Hildener Stammsitz des Labels ist aber mehr als nur Bestandsaufnahme, sondern macht einmal mal die große Leidenschaft von Marc Gruppe und Stephan Bosenius für ihre Produktionen deutlich. Zum Verständnis: Die kursiv gekennzeichneten Passagen im Interview stammen von Stephan Bosenius

 

Also, erstmal: Herzlichen Glückwunsch zur 150 Folge. Das schafft ja nun auch nicht jeder. Hättet ihr jemals beim Start 2004 gedacht, dass es einmal so viel werden würde?

Nein, das hätten wir nicht gedacht. Das ist wirklich eine freudige Überraschung und auch etwas, bei dem wir uns tatsächlich etwas zwicken müssen, weil das so eine unglaubliche Zahl ist. Gerade im Vergleich zu wundervollen, Jahrzehnten vor uns eingeführten Hörspielserien wie den „drei???“ ist das eine unglaubliche Zahl.

Erinnert ihr euch an die allerersten Aufnahmen, die für das Gruselkabinett gemacht habt?

Ich muss ehrlich sagen, ich erinnere mich an die ersten Aufnahmen besser als an einiges, was dazwischen kam, weil dieser Sache natürlich ein Zauber inne wohnt. Wir haben ja angefangen mit „Das indische Tuch“ von Edgar Wallace, das war ja aus der Sparte Krimi. Das erste Gruselhörspiel war schon etwas sehr besonderes, wir haben dann auch zum ersten Mal in Berlin mit den großen Synchronschauspielern aufgenommen. „Das indische Tuch“ war ja noch ein Mix aus Theaterschauspielern um Dagmar von Kurmin, Christian Rode, Manja Doering und noch ein paar Schauspielern, die uns in WDR-Produktionen positiv aufgefallen sind. Aber für das Gruselkabinett haben wir fast ausschließlich mit Berliner Schauspielern die Rollen besetzt. Ich erinnere sehr gut an die Aufnahmen mit Daniela Hoffmann als Carmilla für die Folge 1, die wir unverständlicherweise seitdem gar nicht mehr eingesetzt haben. Es gibt auch gar keinen Grund, warum das so ist – das muss dringend noch einmal nachgeholt werden. Sie war ja wirklich grandios in dieser Rolle und die Zusammenarbeit war auch wirklich sehr schön. Vielleicht ist es aber auch das gewesen, da sie die Rolle so unglaublich gut gemacht hat, dass man dann hinterher gedacht hat: Es fehlt jetzt die Herausforderung. Aber da kommt bestimmt noch mal was. Mit David Nathan war es natürlich eine tolle Arbeit für die Folge 3 „Die Familie des Vampirs“, wo er rollengerecht sehr erkältet ins Studio kam – es spielt ja viel im Schnee. Er hat sich wortreich entschuldigt und hätte auch verstanden, wenn wir ihn weggeschickt hätten. Es passte wunderbar in dieses verschneite Ambiente. Aber bei weit über 300 Schauspielern, die wir mittlerweile besetzt haben, kann man sich natürlich nicht mehr an alles erinnern.

Warum habt ihr überhaupt angefangen, eine Gruselserie zu machen? Ihr hättet ja auch beim Krimi bleiben können und seid später auch noch einmal zurück.

Das stimmt, aber es sollte von Anfang an immer der Grusel sein. „Das indische Tuch“ war so eine Art Testballon, um einfach mal zu gucken: wie geht das, können wir das und kommt dabei etwas heraus, was man anbieten kann, was geliebt und gekauft wird und sich im besten Falle refinanziert, sodass man weiterarbeiten kann. Das war mit Edgar Wallace einfach viel besser zu gewährleisten. Ich hatte dazu gerade ein Theaterstück geschrieben, Dagmar von Kurmin kennengelernt und es stellte sich sehr schnell heraus, dass sie ideal dafür wäre, diese große Frauenrolle zu sprechen. Und natürlich ist aus einem Theaterstück relativ schnell ein Hörspiel gemacht, weil es ja schon Dialoge sind. Da muss man an der einen oder anderen Stelle noch einmal ran, um Dinge, die nicht sichtbar sind, zu übertragen, dass es dann auch in einem Medium funktioniert, das sich nur über Audio mitteilen möchte.

Aber es war von Anfang an klar, dass wir ganz klassische Gruselhörspiele machen wollten, weil es das zu der Zeit gar nicht gab. Oliver Döring hat 2000 angefangen mit der John Sinclair Edition und die Messlatte sehr hoch gelegt: Effekte, Musik, die ganzen Hollywoodstimmen und vor allem so eine große Abmischung, wie es sie in dem Genre bisher nicht gegeben hat, das hat er zum ersten Mal eingesetzt. Das hat dem Medium schon einen richtigen Schub gegeben. Nur in die Richtung, die wir gerne gehört hätten, also eher atmosphärische Sachen, in denen der Grusel sich aus einer unheilvollen Atmosphäre entwickelt und die Sprache auch ein bisschen altertümlich ist, es auch nicht zu doll knallt, sondern auch die leisen Töne bedient, wo ein einzelner Atmer gruselig sein kann - das war, was uns interessiert hat. Wir haben geguckt, dass wir die technische Realisation, wie Oliver Döring oder Volker Sassenberg das gemacht haben, auf dem Level produzieren, aber ästhetisch in eine andere Richtung gehen.
Ich habe mit Oliver Rohrbeck mal auf einer Messe genau über dieses Thema gesprochen, er meinte, dass es ja das Schöne daran sei, dass man es nach wenigen Sekunden schon weiß, ob das von Stephan und mir oder eine Produktion von den erwähnten Kollegen oder etwas von Frau Körting ist - es gibt ja noch viele, viele andere auch. Aber man hört relativ schnell, aus welcher Schmiede das kommt, wie die Formulierungen sind, wie die Schauspielerführung ist, wie aufdringlich oder wie natürlich Geräuschuntermalung ist, welche Art von Musik eingesetzt wird und so weiter. Das wird ja alles zu einer Ästhetik, die einen auszeichnet.


Gibt es ein Ereignis in Zusammenhang mit im Gruselkabinett, welches euch besonders schön in Erinnerung geblieben ist?

Das sind für mich tatsächlich zwei Geschichten. Das eine sind die Ensembleaufnahmen für „Spuk in Hill House“, das verdichtet sich ja auf vier Charaktere, die in dem Hill House übernachten: Der parapsychologische Professor, der Neffe der Hausbesitzerin und die beiden Damen, die medial begabt sind. Das waren traumhafte Aufnahmen in Berlin mit Ariane Borbach, Evelyn Maron, Christian Rode und David Nathan, die zu der Zeit alle vier vor Ort gewesen sind. Das war unglaublich schön, Ariane Borbach hat einen großen Topf Suppe mitgebracht, wir haben sehr schöne Pausengespräche geführt, es waren alle unglaublich vorbereitet. Die beiden Damen haben vorher lange telefoniert, haben Rollenbiografien geschrieben, ganz oldschool-mäßig, wie man solche Sachen erarbeitet, wenn das richtig große Projekte sind. Ich fand es wunderbar, wie sie ins Studio kamen und uns zeigten, was sie sich beispielsweise über die Kindheit ihrer Figuren für Gedanken gemacht haben. Es gab ja auch eine lesbische Geschichte zwischen den beiden, das haben die beiden wunderbar bereits miteinander abgesprochen, so dass es im Studio wie am Schnürchen funktionierte. Die Chemie zwischen diesen vier Schauspielern war so perfekt, das Dialogbuch war auf den Punkt gebracht, die haben sich hingestellt und es war ohne Generalprobe sofort wie die Premiere.
Die andere tolle Erinnerung, und da denkt sicherlich auch Stephan
dran, war „Der Hexenfluch“, die Aufnahmen im Ensemble mit den beiden großen Altstars in München, Marianne Wischmann und Edith Schneider . Marianne Wischmann hat uns unser ganzes Leben begleitet, als blaue Elise und Miss Piggy, als Herzkönigin in Alice im Wunderland, Wilhelma Weinessig bei Dr. Snuggles, hinterher als die Mutter der Nanny in der Sitcom – großartig! Edith Schneider hat uns viel Freude gemacht als Doris Day und Eva Gardner und was sie alles gesprochen hat, bis zu den Harry Potter Filmen, wo sie Maggie Smith synchronisiert hat. Die beiden noch zu erwischen, mittlerweile sind sie ja schon lange verstorben, war nicht ganz einfach. Es war so ein schönes Projekt für zwei gereifte Darstellerinnen, Ihnen ja auch auf den Leib geschrieben. Stephan hat wahnsinnig lange telefoniert und viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Sie waren sehr nett, aber haben sich sehr bitten lassen und so etwas auch noch nie vorher gemacht. Sie waren schon jahrzehntelang in München und hatten sich dort noch nie getroffen. Sie kannten sich aus Hamburg vom Theater und trafen sich dann bei unserem Termin im Studio und fragten: „Seit wann bist du in München?“ Und die andere: „Seit Jahrzehnten.“ „Und was machst Du?“ „Ja, ich synchronisiere.“ „Ja, ich auch, ich mache auch viel Synchronregie, aber warum haben wir uns dann nie getroffen?“ Und in der nächsten Pause hat Marianne Wischmann dann gesagt: „Weißt du, ich glaube, die sehen uns in einer Schublade. Deswegen haben wir uns nie getroffen, weil man entweder dich oder mich für gewisse Rollen bestellt hat.“ Das war ein sehr schöner Aufnahmetag, auch optisch eine schöne Sache. Sie kamen unabgesprochen beide in weißen Hosenanzügen aus Leinen ins Studio. Marianne Wischmann mit diesem flammend rot gefärbten Haaren, riesige Sonnenbrille, Haarreifen und überall Schmuck. Edith Schneider ganz in blond, wunderbare Locken, riesige blaue Sonnenbrille, überall Schmuck – die sahen aus wie aus einer Version von ABBA entsprungen. Die beiden haben uns optisch und auch emotional sehr begeistert. Mit Marianne Wischmann haben wir dann noch einmal für „Anne“ zusammengearbeitet, das war auch ein ganz toller Termin. Mit Edith Schneider sind wir immer in Kontakt geblieben, solange sie noch arbeiten konnte. Sie hat bei „Anne“ ja noch eine Sache für uns aufgenommen, da hat sie schon lange nicht mehr gearbeitet, weil es gesundheitlich nicht mehr möglich war. Das haben wir dann bei ihr zu Hause gemacht mit tragbarem Equipment, standen mit einem Koffer, in denen die ganze Technik war, bei ihr vor der Tür und sie machte auf und guckte auf den Koffer. Und Stephan sagte: „Keine Angst, wir wollen nicht hier einziehen.“ Und sie sagte: „Ach, schade!“ Wir vermissen sie sehr!

   

Ich möchte aber dazu sagen: Derlei Geschichten gibt es wirklich sehr viele. Da will ich jetzt keinen von diesen 300 Schauspielern großartig ausnehmen. Die Quote bei denen es von der Chemie her nicht gepasst hat, ist verschwindend gering. Mit den meisten ist es ein total schönes Erlebnis. Wir hören von den Schauspielern ganz oft, wenn wir kleine Interviews mit ihnen machen, ohne dass wir mit der vorgehaltenen Waffe dort stehen, dass dieses atmosphärische Hörspiel schon an der Haustür anfängt, wenn Sie zu uns ins Studio kommen. Aber so ist es ja auch, wir sind ja in der wunderbaren Position, dass wir uns aussuchen können, wer die mit viel Herzblut geschriebenen Rollen dann zum Leben erweckt. Wir machen uns da sehr viele Gedanken und haben einen hohen Maßstab, den wir gehalten wissen wollen. Und wenn die geliebten Stimmen dann kommen, werden sie natürlich auch entsprechend gut behandelt, weil man natürlich ein gutes Ergebnis haben möchte. Und weil wir aus einer großen Verehrung, was diese tollen Schauspieler alles schon gemacht haben, natürlich auch keinen Hehl machen.

Gibt es auch einen besonders unschönes Erlebnis, an das ihr euch nicht so gerne erinnert?

Da gibt es natürlich auch schon zwei, drei blöde Geschichten, ohne Namen zu nennen. Wenn man schon so lange im Geschäft ist und so viel schon gemacht hat, passieren natürlich auch Sachen, die nicht so schön sind. Zum Beispiel wenn man am Vorabend der Aufnahme angerufen wird und irgendwer meint, noch einmal in die Gagenverhandlung eintreten zu müssen. Aber gut, dann gibt es natürlich auch keine weitere Zusammenarbeit. Die Aufnahmen sind eine sehr intime Geschichte, die Schauspieler müssen sich dort aufmachen, damit es dann so natürlich und so echt ist, wie wir es gerne für unsere Ästhetik haben möchten. Wenn geweint wird, wird meistens auch echt bei uns vorm Mikro geweint. Und da gibt es natürlich bei weit über 300 Schauspielern welche, bei denen man sich sehr nahekommt, wo das sehr gut funktioniert. Es gibt aber auch eine Handvoll, bei denen es eben nicht passt. Das ist ja auch ganz klar, man kann sich ja nicht mit jedem so verstehen, das wird es immer geben.

Macht euch das Produzieren des Gruselkabinetts immer noch Spaß? Wie hat sich der Bezug zu der Serie geändert? Nach 150 Folgen könnte es ja auch zu Ermüdungserscheinungen kommen.

Wenn es so etwas mal zwischendurch geben sollte, ist es immer sofort weg, wenn wieder eine Vorlage auftaucht, die so unglaublich inspirierend ist wie wir es momentan dauernd haben. Stephan ist da wirklich so findig und pfiffig, es kommen auch ganz tolle Vorschläge aus der Hörerschaft, da sind so oft in der näheren Vergangenheit Sachen dabei gewesen, wo ich gedacht habe: „Jaaaa, sofort an den Computer und am besten morgen schon aufnehmen“, weil einfach immer noch neue Spielarten des Begriffs Schauerromantik zu finden sind. Das, was jetzt aktuell kommt, hat auch wieder wahnsinnig Spaß gemacht. Der Lovecraft-Titel für die Folge 150 ist ein bisschen von Frankenstein inspiriert, er hat aber noch einmal etwas ganz anderes daraus gemacht. Von Hanns Heinz Ewers, von dem wir ja schon „Alraune“ und „Die Spinne“ gemacht haben, stammt auch „Die Topharbraut“. Es hat unglaublichen Spaß gemacht, das zu bearbeiten, die Aufnahmen waren auch der Hammer. Es gibt Berliner Lokalkolorit und spielt in der Zeit der großen Wohnungsnot. Wie die Geschichte sich entwickelt, finde ich ganz toll. Theodor Storm, von dem wir den „Schimmelreiter“ auch in bester Erinnerung haben, setzen wir „Bulemanns Haus“ um. Das ist wieder so ein sprachgewaltiger Text und wusste auch wieder die Schauspieler unglaublich zu inspirieren. Wir sind ganz glücklich, sehr dankbar und hochmotiviert, es kommen in den nächsten Staffeln auch so tolle Dinge, die wir unbedingt schon einmal machen wollten. Also nein, Ermüdungserscheinungen sind nicht vorhanden.

Ihr habt „Manor“ gemacht, die Geschichte mit zwei homosexuellen Männern. Wie waren da die Reaktionen?

Überwiegend eigentlich positiv, aber es gab natürlich durchaus einen sehr geringen Prozentsatz an Hörern und Hörerinnen, die das jetzt nicht gut fanden und uns das auch sehr wortreich mitzuteilen wussten. Ich fand das nicht pornografischer als die ganzen heterosexuellen Liebesverwicklungen, die wir schon hatten. Ich habe nicht mehr Sexszenen reingeschrieben als in der Vorlage schon vorhanden waren und nicht mehr drauf gedrückt im Studio, dass es anzüglicher rübergebracht werden soll, als wenn sich Mann und Frau geliebt haben. Es hat mich emotional sehr berührt, toll gesprochen von den Schauspielern, es ging mir sehr ans Herz. Das war auch das Feedback von ganz vielen heterosexuellen Hörern. Wer generell ein Problem mit Homosexualität hat, der geht natürlich bei dieser Folge tatsächlich an die Decke. Wir haben intern ein bisschen darüber gelacht, weil wir schon ganz viele lesbische Verwicklungen hatten. Da hat niemand in die Tastatur gehackt, das scheint immer noch weniger provokant zu sein, was ich sehr amüsant finde. Man kann ja auch nicht viel machen, außer seinen Lebensweg selber als ganz natürlich zu empfinden und ihm ganz natürlich zu leben und den Leuten dadurch ein bisschen die Scheu zu nehmen, indem man deutlich zeigt, dass es ganz normal ist, so zu sein. Wir sind schon sehr weit gekommen, wenn man mal in die 1950er Jahre guckt oder noch davor, das ist ja ganz verheerend, da sind wir ja schon ein ganzes Stück weiter. Man muss das Erreichte natürlich nach wie vor verteidigen, damit es nicht in Zeiten zurückfällt, in denen alles ganz restriktiv war.

  

     

Die Höllenfahrt des Schörgen-Toni“ war die bisher letzte selbstgeschriebene Folge von Per McGraup. Die Geschichte hat viele humorige Elemente. Ist es sonst schwer, humorige Anteile in Vorlagen zu finden?

Tante Marilyn bietet natürlich eine reichhaltige Möglichkeit, Humor unterzubringen. Ich mache es viel bei Sherlock Holmes, weil es sich dort einfach anbietet. Die Personenkonstellation zwischen Holmes und Watson ist wahnsinnig dankbar, um dort humorvolle Vorlagen zu schreiben. Beim Gruselkabinett muss man gucken, wo es passt – und hier hat es einfach gut gepasst. Bisher war Ursula Sieg nur am Telefon zu hören, sodass von Anfang an klar war, dass sie hier eine größere Rolle bekommen soll. Das wollte ich natürlich entsprechend zelebrieren, wir hatten dann auch sehr viel Spaß bei den Aufnahmen mit unserem letzten überlebenden Golden Girl. Sie hat uns auch bei einer der Aufnahmesitzungen eine Golden Girls-DVD-Edition mit den Worten "In Liebe, Blanche" signiert. Die halten wir sehr in Ehren.
Die Hargreaves werden jetzt auch wieder öfters kommen, da wir so viel Spaß im Studio mit Ste
phanie Keller und Benedikt Weber hatten. Gerade nachdem diese Folge nach unseren Hörerfahrungen so äußerst erfreulich geworden ist, wollen wir das im besten Falle auch einmal im Jahr machen. Im Frühjahr kommt die nächste Folge, und ich habe jetzt schon etwas sehr Schönes für die Folge danach gefunden, was wir den beiden zumuten können. Ich hoffe, da bleiben alle im Boot und finde das auch eine ganz gelungene Kombination mit dem Ermittlerpärchen, der Tochter und der Tante – auch wenn diese nicht immer so einen großen Anteil wie jetzt haben wird. Sie ist trotzdem das Salz in der Suppe.

Innerhalb des Gruselkabinetts habt ihr nun eine weitere Miniserie gestartet: „Flaxman Low“. Wie viele Folgen wird es davon geben?

Es gibt zwölf Geschichten, und wenn nichts dazwischenkommt, werden wir alle umsetzen. In diesem Jahr kommen gleich zwei Folgen raus, um das ein wenig zu featuren. Dann ist geplant, immer in der Herbststaffel eine Folge zu bringen. Da werden wir also länger was davon haben.

Wenn ihr alle Vorlagen umgesetzt habt und es ankommt beim Hörer, könnte Per McGraup dann weiterschreiben?

Klar, das ist nur ein Anruf.

Gibt es denn eine chronologische Reihenfolge, eine Rahmenhandlung?

Ich glaube nicht. Es ist ja nur so ein kleines Format, anfangs in Magazinen herausgebracht und erst hinterher dann in Buchform zusammengefasst. Es baut nicht wirklich aufeinander auf.                                                                                                                      

    

 

Einen Fall von ihm habt ihr jetzt schon für Sherlock Holmes umgeschrieben...

Du bist ja pfiffig! Das stimmt, und es hat sich dann relativ schnell herauskristallisiert, was ich schon bei der Abmischung gedacht habe: dass das ein bisschen die Holmes-Gemeinde spalten wird. Die Dinge, die Flaxman Low zur Aufklärung übergeben werden, klären sich nie hundertprozentig auf. Es bleibt immer eine Grauzone, wo es einen spiritistischen Einschlag gibt. Er sagt auch ganz oft, dass man es nicht bis ins Letzte erklären kann. Das ist etwas, was so mancher Holmes-Hörer nicht so mochte. Deshalb haben wir davon Abstand genommen, weitere dieser Fälle Holmes und Watson zu übertragen. Wir finden diese Vorlagen aber so schön viktorianisch, dass sie im Gruselkabinett zu Ehren kommen sollen.

Dann war es anders geplant, dass ihr die Fälle erst alle umschreiben wolltet?

Wir hätten es gerne so gemacht, dass der Holmes abwechselnd einen übernatürlichen und einen normalen Fall bekommt.

Das hat bei uns genauso wenig funktioniert wie bei den Kollegen aus Remscheid. Im Grunde genommen haben die Hörer auch nicht ganz unrecht. Wie Holmes die Dinge sieht und wie er eingestellt ist, geht das nur schwer mit spiritistischen Theorien einher, wo letztendlich das "dran glauben" eine zentrale Rolle spielt und die Beweise auf verschiedene Art interpretiert werden können. Insofern ist es schon völlig in Ordnung und vielleicht einfach eine Fehleinschätzung von uns gewesen. Wir haben es dann relativ schnell auch gelassen und im Gruselkabinett ist Flaxman gut aufgehoben. Wir haben diese Woche die zweite Folge mit Rolf Berg aufgenommen, er mag die Rolle sehr und es fließt auch wieder so aus ihm heraus, dass ich gedacht habe: da haben wir wieder genau den Richtigen drauf besetzt.

Folge 150 wird – genau wie Folge 100 – wieder ein Lovecraft. War das eine bewusste Entscheidung, ist Lovecraft eine sichere Bank?

Absolut ja, es hat aber noch den zweiten Hintergrund: traditionell ist die erste Folge im Herbst ein Lovecraft-Titel. Nach den nicht unbedingt positiven Erfahrungen mit dem „Gespenst von Canterville“ bei Folge 50 wollten wir bei Folge 100 einfach auf die sichere Bank setzen.

Habt ihr euch für Folge 150 einen ganz besonderen Wunsch erfüllt, eine besondere Besetzung?

Endlich Martin May bei Titania Medien! Das hatte sich bisher nie ergeben, wir haben uns aber im letzten Jahr bei der Sinclair-Convention kennengelernt und mochten uns gleich sehr. Ich habe ihm ein Kompliment gemacht für ein Hörbuch, das ich von ihm gehört habe, worüber er sich sehr gefreut hat. Ich wollte ihn auch gerne bei uns hören und habe direkt die Visitenkarte bekommen und er hat gesagt: "Ruf mich an, total gerne." Er hat die Erzähltexte auch unglaublich gut gemacht, er ist der devote Freund von Herbert West. Ich glaube, er ist sehr glücklich aus dem Studio gegangen, und ich auch.

Wir haben gerade schon kurz Theodor Storm angerissen. Was dürfen wir denn bei „Bulemanns Haus“ erwarten? Wollt ihr noch weitere Vorlagen von Storm vertonen?

Ich glaube, es gibt leider keine Gruselgeschichten mehr von ihm. Aber vielleicht wird uns jemand belehren, der das noch besser weiß. Ich würde das total gerne machen, weil ich die Sprache so schön finde. Es war ganz schwierig, da überhaupt etwas heraus zu kürzen. Solche Schauspielgrößen wie Dagmar von Kurmin, Horst Naumann oder Peter Weis, der die Erzähltexte so wunderbar deklamiert hat, wissen aus so einer Sprache eine atmosphärische Bombe zu kreieren. Claudia Urbschat-Mingues ist noch mit dabei, Eckart Dux, Bodo Primus, teilweise Wiederholungstäter zum „Schimmelreiter“, die sich alle total gefreut haben, dass sie noch mal einen Theodor Storm als Hörspielfassung sprechen können. Es ist uns bei diesen Sachen durchaus klar, dass es nicht jedem gefallen wird, weil es letztlich sehr literarisch ist und man zuhören und einen Sinn für diese Sprache haben muss. Aber wir müssen das so machen, wie wir es empfinden und da gehört so etwas absolut ins Gruselkabinett. Nicht jede Folge, aber immer mal wieder sollte so etwas seinen Platz finden und auch wertgeschätzt werden.

„Im Labyrinth der großen Pyramide“ habt ihr mit einem starken Bezug zu Ägypten umgesetzt, in einigen vorangegangenen Folgen auch schon. Geht die Topharbraut in eine ähnliche Richtung? Das Cover suggeriert es ja ein bisschen. Und ist es Zufall, oder wollt ihr auch mal das viktorianische England verlassen?

Das ist ja nicht so einfach zu finden.

Ja, aber es gelingt dir ja doch immer wieder. Die Topharbraut hat etwas mit Ägypten zu tun, mehr kann ich dazu aber gerade nicht sagen, weil es zu viel verraten würde. Ertugrul Edirne hat aber wieder ein fantastisches Cover gemacht, wie ich finde. Wir machen das aber auch beide sehr gerne, sowohl Stephan als auch ich haben in der Kindheit eine große Affinität zu Ägypten gehabt. Wir sind aufgewachsen in der Zeit, in der die Tutenchamun-Schätze in Köln gezeigt wurden und das ein ganz großes Thema war. Meine Mutter ist auch sehr Ägypten-begeistert und hatte da auch ganz tolle Bildbände, die ich schon als Kind mit großer Begeisterung durchgeblättert habe. Und es ist ja auch ein Gruselgenre, mit der Mumie und dem Fluch der Pharaonen und allem, was dazugehört. Der ägyptische Totenkult ist immer noch etwas Unbekanntes. Man weiß ja immer noch nicht ganz genau, was die da überhaupt gemacht haben, dass nach über tausend Jahren noch Gesichtszüge zu erkennen sind. Es hat etwas sehr Magisches, und es macht unglaublich viel Freude, das in Töne, Klänge und Dialoge zu setzen. Für die „große Pyramide“ haben wir übrigens den Originalraum benutzt. Es gab tatsächlich in einer der vielen Softwares, die wir für die Abmischung benutzen, eine Aufnahme, die in dieser Cheops-Pyramide gemacht wurde. Das musste natürlich noch etwas angepasst werden, dass es mit den recht trockenen Sprachaufnahmen zusammenpasst. Aber der Hall, den man hört, ist original das, was in der Cheops-Pyramide aufgenommen und dann gesampelt wurde.

Ist es schwieriger geworden, Vorlagen zu finden, die man lebendig umsetzen kann? Es schwankt ja immer wieder, dass es ganz oft viel Dialog gibt und dann wieder viel Monolog, wo jemand am Kaminfeuer sitzt und erzählt, was er erlebt hat. Die Spielszenen sind dann recht wenig.

Im Gruselkabinett vertonen wir ja immer in sich abgeschlossene Geschichten von sehr unterschiedlichen Autoren, die natürlich auch ganz unterschiedlich schreiben. Ich versuche dann schon, dass ein bisschen anzugleichen. Aber ich möchte natürlich auch, dass die Geschichten ihr spezielles Charakteristikum erhalten und will nicht zu gravierend eingreifen, was der Autor sich mal gedacht hat. Werktreue ist ja ein dehnbarer Begriff, weil es ja de facto immer von mir eine Bearbeitung ist. Und ich finde es ganz gut, dass es sich so mischt. Die Geschichten, in denen sich zwei Personen viel erzählen, finde ich eine sehr schöne Sache zum Installieren von Spannung und Grusel. Ich mag es auch ab und an mal, wenn Leute ganz alleine sind. Das hat natürlich zur Folge, dass es dann monologisch wird. Nicht immer mag das dann jeder, aber wenn es gut gemacht wird, kann das ein Genuss sein.

Bei „Der rote Raum“ war es ja so, dass die Hauptfigur sehr viel alleine erlebt hat und es natürlich auch erzählen musste.

Ja, genau. Das ging an der Stelle auch nicht anders, ich habe dann den Phonographen als neuen Punkt noch dazu geschummelt. Ich fand das als Ergänzung ganz schön, dass man ihn zu diesem Gerät sprechen lässt und insofern auch zu dem Hörer. Aber wir wissen ja schon seit „Draculas Gast“, dass es eine Zahl an Hörern gibt, die diese One-Man-Shows nicht so mögen. Für den Schauspieler und den Regisseur ist es aber ein sehr interessantes Betätigungsfeld. Ich schreibe das als Dialogbuchautor auch gerne, selbst wenn es lange dauert, bis es spielbar ist und bunt dargestellt werden kann.

                                      

Mir ging es so bei „Das unheimliche Puppenhaus“. Dort haben die beiden vor dem Puppenhaus gesessen und einander erzählt, was sie sehen. Beim ersten Hören fand ich es ein wenig sperrig, es ist mir aber auch keine Möglichkeit eingefallen, wie man es hätte anders machen können. Man hätte sonst viel von der Auflösung verraten.

Im Original ist es ja noch viel furchtbarer, da gibt es die Frau gar nicht. Die habe ich schon dazu gedichtet, damit es nicht zu dröge und eintönig wird. Vom Gruselfaktor hätte ich es noch besser gefunden, wenn der Mann es alleine erlebt hätte. Das hätte aber doch bedeutet, dass wir in dieser Staffel zwei Geschichten gehabt hätten, in denen ein Mann alleine etwas Gruseliges erlebt. Im Dialog mit seiner Gattin fand ich das eine schöne Lösung, die beiden haben es auch unglaublich toll gespielt - wenn es ihnen die Kehle zuschnürt, was sie da so sehen.

Gibt es einen Autor, bei dem ihr es schade findet, dass es nicht noch mehr Gruselgeschichten gibt? Die letzte Folge von Bram Stoker liegt auch schon so lange zurück. Gibt es von ihm gar nicht so viele Vorlagen?

Doch, da gibt es schon noch was. Die sind teilweise nur wirklich sperrig und bisher habe ich mich einfach davor gedrückt, da noch mal ran zu müssen. Ich finde es wunderbar, was er sich ausgedacht hat und mag die Sprache auch sehr. Aber die Sachen, die gut als Hörspiel umsetzbar sind, haben wir im Grunde genommen gemacht.

Ansonsten vielleicht noch von den Aylmer-Vance-Autoren Alice und Claude Askew.

Haben die nur diese eine Vorlage geschrieben?

Die haben schon noch mehr geschrieben, aber es ist verloren, man findet es nirgendwo. Man kann zwar noch Titel recherchieren, aber es gibt keine Vorlagen mehr. Leider, denn die vier CDs, die wir da gemacht haben, fand ich ganz toll. Von denen hätte ich gerne noch mal etwas gelesen.

Wenn ihr die Vorlagen auswählt, habt ihr eher im Kopf, was sich gut verkauft, oder was ihr selbst lieber umsetzen würdet? Ihr seid ja auch Geschäftsleute...

Ich muss sagen, wenn ich es lese, denke ich nicht ans Verkaufen. Ich entscheide, ob es uns gefällt, ob es in die Reihe passt, ob es gut zu besetzen ist, ob endlich mal wieder ein paar Frauen dabei sind...

Sind Frauen in den Geschichten so rar?

Bei den meisten Stoffen sind die Frauen nur Nebenfiguren. Wie ist es beim neuen Lovecraft, gibt es da eine Frau?

Ja, die Vermieterin und die italienische Mutter. Aber das sind wirklich Rollen, die zwei, drei Seiten mal vorkommen. Das ist jetzt nichts Tragendes, das möchte ich nicht mal schmückendes Beiwerk nennen. Da spricht Stephan schon eine blutende Wunde an. Es ist einfach genau wie beim klassischen Theater, da hast du zwei Drittel Männerrollen und ein Drittel Frauenrollen. Meistens werden die Frauen auch als Opfer präsentiert und weniger als handelnde Figur im Vordergrund. Das ist schade, weil wir natürlich Kontakt zu ganz vielen Schauspielerinnen haben, die Unglaubliches anbieten können. Aber es muss natürlich eine Vorlage her, dass sie ihre Kunst ausüben können. Wir sind froh, wenn wir etwas mit einer schönen großen, gerne auch mehreren Frauenrollen finden, da würden sich die Schauspielerinnen natürlich wahnsinnig freuen.

In euren Hörspielen sind doch immer wieder noch unbekannte Stimmen zu hören. Diese großen und bekannten Sprecher kommen aktuell eher wenig vor...

Das ist mehr oder weniger so passiert, das war gar kein Vorsatz. Es wird in Zukunft auch wieder mehr einen Mix in diese Richtung geben. Das hatte einfach den Hintergrund, dass wir auf einmal ein eigenes Studio im Haus hatten, als wir nach Hilden gezogen sind und uns hier in der Region rund um Düsseldorf eine Infrastruktur mit hochkarätig guten Schauspielern aufgebaut haben. Es stimmt, was du gesagt hast, dass sie nicht die ganz großen Namen haben, aber wir haben in der Zusammenarbeit gemerkt, was für ein großes Potenzial da ist. Manchmal ist das ja auch ein Vorteil, dass eine Stimme, die wir besetzen, nicht mit einer Optik verbunden ist, die mit der Synchronisation eines Hollywood-Stars einhergeht. Man kann dann die Leute auch mal positiv überraschen. Dann sind noch so Dinge geschehen wie Krankheitsfälle in der engsten Familie, wo wir uns kümmern mussten und nicht so viel Zeit war, nach Berlin und München zu fahren, um vor Ort aufzunehmen. Wir sind seit vier Jahren Eltern, da ist es natürlich auch schwieriger, lange von zu Hause weg zu sein. Wir nehmen dann natürlich lieber zu Hause mit diesen tollen Schauspielern auf, und das andere tritt ein bisschen zurück. Man wird demnächst wieder einen sensationellen Mix hören zwischen den bekannten Größen, die wir in Hilden aufnehmen und die wir auch weiter mit schönen Rollen bedenken wollen, und den tollen Schauspielern, die hauptsächlich in Berlin, München und Hamburg synchronisieren.

Es ist dir dann schon wichtig, persönlich vor Ort zu sein? Einige eurer Kollegen machen das ja via Skype, wäre das auch eine Möglichkeit für dich?

Ich bin lieber live dabei, durch meinen gebrochenen Fuß haben jetzt aber viel über den Computer gemacht. Das geht natürlich auch gut, ich habe es aber trotzdem lieber, dass ich physisch anwesend bin. Man kann sich dann eben auch in den Pausen unterhalten und da eine Nähe herstellen. Aber wenn das Schauspieler sind, mit denen ich schon viele Male gearbeitet habe, ist es auch kein Problem. Da kennt man sich, da weiß man, was man voneinander möchte, was man aneinander hat. Ich vermute, es wird ein bisschen die Zukunft sein, weil es für alle Seiten natürlich die angenehme Komponente hat, dass keiner sich großartig bewegen muss und viel Zeit und Geld verliert, um zu reisen. Die Technik schreitet natürlich immer weiter voran, sodass die Möglichkeiten ja quasi unbegrenzt sind. Und wenn es mit meinem Fuß wieder besser ist, sitze ich auch wieder bei Holmes und Watson mit am Tisch, wenn in der Baker Street aufgenommen wird.

Bei Sherlock Holmes habt ihr ganz lange die originalen Fälle von Sir Arthur Conan Doyle gemacht. Seit einigen Folgen stehen andere Autoren im Mittelpunkt, die ganz andere Ermittler erdacht haben. Warum seid ihr ausgewichen? Seid ihr ein bisschen müde von Doyle oder seid ihr über Geschichten gestolpert, bei denen es sich anbot, sie in den Holmes-Kosmos zu übertragen?

Das ist ja eine ganz spannende Geschichte. Die ersten selbstgeschriebenen Fälle haben sich teilweise besser verkauft, als eine Gruselkabinett-Folge! Es gab nur das Problem unseres Anspruchs, historisch alles akkurat darzustellen. Ich habe dafür immer noch zwei, drei Sachbücher gelesen, bevor ich mich an den Computer gesetzt habe – das hat einfach alles viel zu lange gedauert. Wir kamen in Verzug mit den übrigen Arbeiten, es war relativ schnell klar, dass es einfach auf Dauer so nicht klappt. An dem Punkt hatten wir auch sehr viel Lust auf Original-Doyle, das lief ja auch erstmal ganz gut. Aber die Verkaufszahlen gingen dann doch von Folge zu Folge immer weiter runter. Das Lob war immer groß, uns wurde ganz oft geschrieben, dass es endlich mal eine originalgetreue Umsetzung gibt. Aber es ist trotzdem ein Problem, wenn es dann von dem „Musgrave-Ritual“ drei oder vier Hörspiel-Versionen gibt, die auch alle ihr Gutes haben. Der Kuchen teilt sich dann eben doch auf, die wenigsten werden sich vier Versionen davon zu Hause hinstellen. Auch wenn sie Joachim Tennstedt und Detlef Bierstedt und die Art und Weise mögen, wie wir Holmes präsentieren. Insofern kam Stephan dann mit dem Vorschlag auf mich zu, dass es weniger Arbeit für mich ist, wenn ich historische Kriminalliteratur aus der viktorianischen Zeit nehme und da Holmes und Watson reinbastle. Das hat sich total schön entwickelt, die beiden Schauspieler sind voll des Lobes, wenn sie ins Studio kommen, was die Texte betrifft. Wir sind auch ganz glücklich mit diesem System, in dem Stil wird es sicherlich auch weitergehen. Wir haben ja noch mal den „Hund der Baskervilles“ gemacht, weil das einfach sein musste. Jetzt fehlt eigentlich nur ein Roman, „Das Tal der Furcht“, damit wir alle vier Romane auch vertont haben, die es von Sir Arthur Conan Doyle gibt.

Gibt es denn auch noch Ambitionen, das zu machen?

Ja, total! Und natürlich auch noch die eine oder andere Kurzgeschichte, die ich sehr vertonenswert finde. Da muss man jetzt einfach mal sehen, was die Zeit so bringt.

Im Gruselkabinett habt ihr ja eine Folge gemacht, die in der heutigen Zeit spielt: „Der Mitternachtsweg“. Könnt ihr euch einen ähnlichen Bruch für Sherlock Holmes vorstellen? Dass ihr eine Folge in die heutige Zeit transportiert?

Nee, das kann ich mir nicht vorstellen. Die sind für mich doch sehr verwurzelt in ihrem „in-der-Teetasse-Rühren“, wenn Big Ben die Stunde schlägt, der Kamin knistert und die Kutschen fahren. Die möchte ich gerne in diesem Zeitalter lassen.

Dieses Jahr ist die Special-Folge „Die Schöne und das Biest“. Nach welcher Vorlage setzt ihr das um, es gibt da doch einige, die eine ähnliche Geschichte erzählen.

Also, es ist wie immer bei uns eigentlich die Ur-Vorlage. Ich gehe ja immer gerne an den Grund der Quelle zurück, aber eben stark gekürzt und bearbeitet. Das ist wirklich ein dicker Schinken mit einer ausufernden Rückblende, wie denn die Vorgeschichte so gewesen ist. Das entspricht nicht der Dramaturgie, die ein heutiger Hörer gewöhnt ist. Man wird dort auch mit Dingen konfrontiert, die man im Kontext der Zeit sehen musste, das stammt ja aus dem 17. Jahrhundert. Es geht ganz viel um Standesdünkel und solche Dinge, die dem heutigen Publikum eher fremd sein werden. Insofern beschränken wir uns da auf eine stark bearbeitete Fassung dieser ursprünglichen Geschichte.

Ihr habt wieder eure Veröffentlichung verschoben, liegt es nur am gebrochenen Fuß? Sonst habt ihr immer getickt wie ein Uhrwerk, jetzt kommt es häufiger vor. Muss man sich Sorgen machen?

Nein, gar nicht! Die Verschiebung, die jetzt vor uns liegt, ist eine Folge des total verschobenen Frühjahrs und den gebrochenen Fuß als kostenlose Zugabe gab es noch obendrauf. Es ist einfach schwieriger geworden, alles zu koordinieren, als es vorher war. Wir sind Eltern, haben noch ein Haus und ein Grundstück zu bewirtschaften, die eigenen Eltern werden nicht jünger und brauchen ein bisschen mehr Unterstützung als früher – das frisst alles viel Zeit. Dann kommen noch Dinge dazu, dass wir seit einiger Zeit neue gesetzliche Vorgaben umsetzen müssen. Die Schauspieler müssen sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, das war vorher anders. Das heißt, wir haben Abgaben an die Krankenkasse und so weiter. Gott sei Dank haben wir da ganz tolle Unterstützung gefunden, aber es macht es trotzdem nicht preiswerter, der Aufwand ist auch nicht kleiner. Dann kommen aktuell noch so schöne Sachen hinzu wie das Verpackungsgesetz, das jetzt genau gemessen werden muss, wie viel Plastikfolie um die Produkte sind, wie viel von der Plastikfolie für Titania Medien produziert wird, was die Plastikverpackungen an sich wiegen – und dafür sind auch wieder alles Abgaben nötig, und es bedeutet einen weiteren bürokratischen Rattenschwanz. Wir sind ja nach wie vor zwei plus X. Wir haben da natürlich seit der ersten Produktion unseren Carsten Bunse für die Tongeschichte, Stephan hat jetzt Unterstützung in der Pressebetreuung durch Dr. Daniela Gehrmann, das ist aber momentan auch nur eine stundenweise Sache. Dieser ganze organisatorische Bereich, der so viel größer geworden ist, bleibt eben doch an uns hängen. Da stoßen wir mit dem ganz normalen Wahnsinn, den man so mit Anfang, Mitte 40 hat, manchmal an Grenzen der Belastbarkeit. Es tut uns immer furchtbar leid, weil wir wissen, dass die Leute dann enttäuscht sind. Aber es lässt sich momentan nicht verhindern. Wir haben das Programm für das nächste Kalenderjahr etwas umstrukturiert und hoffen, dass es damit ein bisschen besser zu bewältigen sein wird.

Wie geht es dem Hörspiel Markt momentan? Hat er nach wie vor Erfolge, ist er wieder erfolgreicher, kränkelt er vor sich hin?

Da muss ich ganz scheuklappenmäßig sagen: keine Ahnung. Wir haben so viel zu tun, ich schaue gar nicht viel nach links oder rechts. Was uns betrifft kann ich nur sagen, dass es gut läuft. Die CD ist weiterhin rückläufig, dafür steigen die anderen Bereiche von Monat zu Monat und fangen das in einem Rahmen auf, dass uns in die Lage versetzt, auf diesem Qualitätsniveau trotz der Mehrkosten durch die neuen gesetzlichen Anforderungen zu produzieren, die auch nicht zu einer Preiserhöhung geführt haben. Es läuft weiter kostendeckend sehr zufriedenstellend. Wir sind sehr optimistisch und geben uns weiterhin größte Mühe, die geneigten Hörer soweit zu verwöhnen, dass sie mit großer Begeisterung beim nächsten Hörspiel von uns wieder zugreifen. Hoffentlich.

Mal weit in die Zukunft gedacht: Erscheint Folge 200 noch auf CD?

Davon gehe ich aus! Die Auflagen werden tatsächlich kleiner und kleiner. Aber für uns ist es erstmal kein Thema, weil die Käufer, die es für das Medium noch gibt, natürlich unsere allertreuesten Kunden sind. Sie haben von Anfang an über den Kauf der CD ihren Beitrag geleistet, dass wir überhaupt so weit gekommen sind. Solange es geht, möchten wir diese Kunden natürlich mit dem von ihnen präferierten Medium sehr gerne bedienen. Stephan und ich freuen uns aber auch wahnsinnig, etwas in den Händen halten zu können, nicht nur eine Datei zu haben, wo man auf ein Play-Symbol drückt. Für uns ist es nicht dasselbe.

Wie wäre es denn dann mal mit einer schönen Vinyl Ausgabe vom Gruselkabinett? Die 150 hätte sich doch als Jubiläumsfolge auch sehr angeboten.

Das stimmt, aber das ist in dem ganzen Trubel in der letzten Zeit in unseren Überlegungen verloren gegangen. Ich würde es total gerne mal machen, weil ich genau wie Stephan mit Schallplatten groß geworden bin. Es wäre natürlich sehr, sehr schön, das mal in den Händen halten zu können. Ich finde auch die Illustrationen in so einer Größe mal wunderbar. Also, das kommt.

Gibt es spannende neue Projekte abseits der bekannten Serien, etwas komplett Neues?

Nur in unserem Kopf. Tatsächlich gibt es sie, aber es fehlt einfach die Zeit, sich da näher mit zu beschäftigen. Wir hätten wahnsinnige Lust, wieder mal einen Abweg zu starten, etwas ganz anderes an Hörspiel zu machen.

Bekommen wir einen Ausblick auf das Frühjahrsprogramm 2020?

   

                                       

Hoffentlich fällt es mir jetzt alles ein... Also: ein lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung. Wir machen eine „Krabat“-Vertonung! Wir hätten damals schon gerne den Krabat von Preußler vertont, das ist dann leider an den Rechten gescheitert. Der WDR hat es damals dann umgesetzt, was ich auch sehr gelungen finde, aber das Buch wäre auch bei uns sehr gut aufgehoben gewesen, weil ich es so liebe. Jetzt haben wir uns ein bisschen eingehender mit der ursprünglichen Quelle, der Volkssage aus dem Sagenbuch aus Sachsen beschäftigt und erfreulicherweise festgestellt, dass diese Vorlage toll ist. Natürlich gibt es Dinge die anders sind als bei Preußler, was die meisten kennen werden, aber das macht ja nichts. Der Kern der Geschichte ist derselbe und ich freue mich riesig auf diese Arbeit. Ein anderer Wunsch, der auch schon oft an uns herangetragen wurde und den ich auch schon ganz lange in mir spüre, geht auch in Erfüllung: „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff – im Gruselkabinett! Es wurde immer wieder gewünscht als Titania Special, da sehe ich es ehrlich gesagt aufgrund einer durchgängigen Gruselstimmung in diesem Wald nicht, in dem gute und böse Geister hausen. Es ist sicherlich ein ungewöhnlicher Titel im Gruselkabinett, aber dort deutlich besser aufgehoben. Damit haben wir zwei sehr deutsche Stoffe - beim letzten Mal hattest du ja auch gewünscht, dass wir es ein bisschen breiter aufstellen, was die geographischen Gegebenheiten betrifft. Ich hoffe es ist aufgefallen, dass wir das in den letzten beiden Jahren auch beherzigt haben und immer mal mit den Geschichten woanders gewesen sind. Das war ein sehr guter Hinweis und wird auch weiter so sein. Dann kommen die Hargraeves mit Ihrem nächsten Fall, einer Zeppelin Tragödie. Aber Tante Marilyn ich muss diejenigen enttäuschen, die sie nicht mögen saß nicht drin. Von Francis Marion Crawford kommt noch eine Vampirgeschichte, die bei Genrekennern sehr bekannt ist. Auch kommt eine Folge von Arthur Machen, von dem wir ja die Geschichte mit dem „gewaltigen Gott Pan“ gemacht haben. Er hat etwas sehr Schönes geschrieben, was „Das Innerste Licht“ heißt. Auf dem Cover ist eine in einem Opal gefangene Frau drauf mehr möchte ich jetzt dazu gar nicht sagen. Und dann gibt es noch „Das Auge des Panthers“. Sherlock Holmes und Dr. Watson ermitteln wieder auf zwei CDs, rings um den Selbstmord von Kronprinz Rudolf von Österreich, die Folge heißt "Mayerling" und kommt Ende Januar raus, fast zum Todestag des Kronprinzen.

           

                                      

Was wünscht du dir für die kommende Zeit? Die nächsten 150 Folgen?

Herzlich gerne, wenn unsere Gesundheit und der Markt es zulässt, steht dem nichts im Wege. Das ist eine Sache, die erstmal kein absehbares Ende hat, weil sie gut läuft und nach wie vor unglaublich viel Spaß macht. Wir wünschen uns weiter so viel Freude an der Arbeit, wir freuen uns und sagen Danke, dass wir so tolle, qualitätsbewusste Hörer haben, die mit Lob und Tadel nicht sparen, bei der Stange bleiben und uns in die Lage versetzen, weiterarbeiten zu können. Das ist eine ganz tolle Sache, da kann man nicht oft genug danke zu sagen, dass es auch ein so begeisterungsfähiges Publikum ist. Wir gehen natürlich entsprechend motiviert ans Werk, wenn man spürt, dass die Leute lieben, was man tut. Dann gibt man natürlich auch noch mehr als die 100% und versucht, es so gut wie eben möglich zu machen. Dass man nicht immer alle glücklich machen kann, ist uns sowieso seit vielen Jahren klar, den Anspruch darf man gar nicht haben. Man muss es einfach so machen, dass man es selber als eine runde Sache empfindet.

(c) Interview poldis-hoerspielseite.de Oktober 2019

(c) Bilder Titania Medien

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